Veranstaltungsbericht | veröffentlicht am 08.02.2022

Abschluss 2021 im LabBD: Digitalisierung durch Dialog

von Klaus Lüber

Mit dem im April 2021 gestarteten Format LabBD hat das Forum Bildung Digitalisierung erfolgreich einen bundesweiten Dialog- und Experimentierraum für Schulen und Schulträger etabliert. Am 10. Dezember 2021 trafen sich die Teilnehmenden zur Abschlussveranstaltung des ersten Jahres. Auch 2022 soll das Format weitergeführt werden.

Foto: Phil Dera / CC BY 4.0

Eine Straße, die durch ein Waldstück führt. Auf einer Seite ragt ein Ast in die Fahrbahn. Und an genau dieser Stelle macht die Seitenmarkierung einen Schlenker, umfährt das Holzstück wie einen scheinbar unverrückbaren Fremdkörper und hinterlässt eine Beule im weißen Seitenstreifen. Nadine Lietzke-Schwerm, stellvertretende Schulleiterin an der Alfred-Krupp-Schule in Essen (Nordrhein-Westfalen), zeigt dieses Bild gerne, um auf ein grundsätzliches Problem hinzuweisen. „Natürlich ist das kurios und es stellt sich sofort die Frage: Was ist da passiert? Aber statt uns genau das zu überlegen, sind wir viel zu schnell bei einer Bewertung. Nach dem Motto: Oje, wie kann man nur so blöd sein!“

Nadine Lietzke-Schwerm ist Mitarbeiterin bei Designed Education, einem Unternehmen, das Schulleitungen bei der Entwicklung einer zeitgemäßen Lern- und Arbeitskultur berät. Sie sagt: Wir brauchen eine neue Denkweise, wir müssen Probleme erst verstehen, bevor wir versuchen, Lösungen dafür zu finden. Und genau dies war auch die Aufgabe, die sich der dritte Online-Tag des LabBD am 10. Dezember 2021 selbst gegeben hatte: „Probleme verstehen und Lösungsräume öffnen“.

Design Challenges

Das ist dringend notwendig, geht es dem Anfang 2021 gestarteten Format doch darum, das deutsche Bildungssystem bei einer Herkulesaufgabe zu unterstützen: der digitalen Transformation. Genau dafür, so die Grundidee, ist ein strukturierter Austausch aller Akteure essenziell, insbesondere zwischen Schulen und Schulträgern. An insgesamt drei Online-Tagen im letzten Jahr brachte das Forum Bildung Digitalisierung deshalb Vertreter:innen beider Seiten zusammen, um in einen gemeinsamen Austausch zu kommen.

Beim dritten und letzten Termin am 10. Dezember 2021 lernten die Teilnehmenden dann unter Anleitung von Nadine Lietzke-Schwerm die Kreativtechnik Design Thinking kennen, eine inzwischen in vielen Kontexten bewährte Methode, um komplexe Probleme aus einer nutzer:innenzentrierten Perspektive anzugehen. In einem ersten Schritt ging es darum, sogenannte Design Challenges zu entwickeln. Das sollten zunächst breit angelegte Fragestellungen sein, die den Teilnehmenden an der Nahtstelle zwischen Pädagogik und Verwaltung besonders am Herzen liegen. Diese Challenges, etwa die Entwicklung neuer Lehr- und Lernkonzepte oder die Etablierung kooperativer Teilhabemöglichkeiten, wurden im nächsten Schritt dann genauer definiert. „An dieser Stelle ist es wichtig, sich zu fragen: Wer genau hat das Problem und in welchem Kontext?“, so Veronika Schönstein, die zusammen mit Martin Fugmann und Nadine Lietzke-Schwerm, allesamt Mitarbeiter bei Designed Education, den Online-Tag moderierte. 

Für die „Entwicklung neuer Konzepte“ bedeutete das etwa, „Lehrkräfte in den Blick zu nehmen, die ein lehrendenzentriertes Rollenverständnis und Angst vor Neuem haben“, wie es eine Gruppe formulierte. „Das zwingt zu Konkretisierung und ist wichtig, sich wirklich intensiv mit der Zielgruppe auseinanderzusetzen“, so Schönstein. „Und immer dann, wenn man glaubt, eine Lösung gefunden zu haben, sollte man sich fragen: Für wen ist etwas anders geworden und was?“ Schulen und Schulträger könnten dann besonders effektiv zusammenarbeiten, wenn es gelinge, Probleme multiperspektivisch anzugehen. Und genau dabei unterstütze dieser Ansatz. „Manchmal kommen dabei Aspekte zum Vorschein, die gar nicht mit der Schule konkret zu tun haben, sondern mit der Situation zu Hause. Die aber der Schulträger ganz anders in den Blick nehmen kann“, erklärte Veronika Schönstein.

Austausch in Tandems

„Für mich war das vollkommen neu“, berichtet Andreas Scholten, Mitglied im Leitungsteam der Förderschule Förderzentrum West im Kreis Viersen (Nordrhein-Westfalen), im Rückblick. „Ich hatte mich vorher noch überhaupt noch nicht auf diese Weise mit Fragen der Organisationsentwicklung beschäftigt.“ Andreas Scholten nahm zusammen mit Antonia Weggebakker am LabBD teil. Als Koordinatorin für Digitalität in der Bildung der Kreisverwaltung Viersen ist sie die direkte Ansprechpartnerin von Andreas Scholtens bei allen Fragen rund um den pädagogisch sinnvollen Einsatz digitaler Lernmittel. Dabei vermittelt sie zwischen der Leitungsebene der Förderschule und dem Schulträger. Als eines von mehreren „Tandems“, so die Idee, sollten beide über den ganzen Projektzeitraum im Austausch bleiben und Gelegenheit bekommen, die in den einzelnen Online-Tagen präsentierten Konzepte im Hinblick auf ihre konkreten Bedarfe weiter zu vertiefen. „Das hat auch ganz gut funktioniert, wenngleich uns vielleicht etwas die Verbindlichkeit gefehlt hat, um uns noch intensiver auch mit anderen Teams auszutauschen“, berichtet Antonia Weggebakker. 

Was ihre Zusammenarbeit in der Praxis angeht, sind beide zufrieden. „Wir sind wirklich sehr glücklich über Frau Weggebakker als Koordinatorin. Besonders freut uns, dass sie uns neue Perspektiven auf dem Weg in die Digitalität aufzeigt und die wichtigen Meilensteine mit uns abstimmt“, erzählt Scholten. Antonia Weggebakker sagt dazu: „Auch der Schulträger meint es ernst mit dem Thema Lernen in der Digitalität. Allein die Tatsache, dass der Bedarf an einer Koordinierungsstelle im Austausch mit den Schulen und der Schulaufsicht festgestellt und wissenschaftlich evaluiert wurde, unterstreicht dies sehr deutlich.“

Runde Tische

Beim LabBD hätten beide primär von den Arbeitsphasen in kleineren Breakout-Rooms profitiert. „Für mich war es sehr wichtig zu sehen, dass andere vor denselben Herausforderungen stehen wie man selbst. Und man sich dazu austauschen kann“, so Antonia Weggebakker. Und Andreas Scholten konnte sich mit einem Teilnehmenden aus Bremen vernetzen, der über die erfolgreiche Etablierung Runder Tische berichtete. „Wir haben uns fest vorgenommen, so ein Kollaborationsformat demnächst auch in Viersen umzusetzen.“

Ähnliche Erfahrungen machten auch Markus Heckmann und Tom Schnörr, ein LabBD-Tandem aus Berlin. Als Referent der Amtsleitung des Bezirks Kreuzberg-Friedrichshain ist Markus Heckmann unter anderem verantwortlich für die digitale Ausstattung von 50 Schulen. Tom Schnörr koordiniert als IT-Regionalbetreuer (ITRB) seit 2006 die Arbeit einzelner IT-Betreuer (ITB) in den Schulen des Bezirks. In Berlin vermitteln diese ITBs zwischen den Bedarfen der Schulleitung und des Schulträgers. „Mir hat das LabBD dabei geholfen, weiter an einer Strategie für die digitale Ausstattung der Schulen in meinem Bezirk zu arbeiten“, so Heckmann. Tom Schnörr ergänzt: „Die Digitalisierung in Schulen ist komplex, da braucht es einen ständigen Austausch zwischen Pädagogik und Technik. Der Ansatz, Schulleitung und Schulträger stärker in den Dialog zu bringen, ist deshalb genau richtig.“

Nachhaltigen Prozessmanagement

Eine der größten Herausforderungen sehen beide in der Nachhaltigkeit von Entwicklungsprozessen, die bislang noch viel zu oft von Einzelpersonen abhängen. „Bei uns im Bezirk läuft es im Augenblick sehr gut, aber das hat vor allem mit der Person von Markus Heckmann zu tun“, so Tom Schnörr. „Ich erlebe es oft genug, dass Schulleitungen wechseln und plötzlich ist alles, was man als ITB für die Schule entwickelt hat, nicht mehr wichtig.“ Ganz entscheidend sei es deshalb, Vorgänge zu institutionalisieren, dabei sämtliche Akteure einzubinden und Verbindlichkeiten zu schaffen. „Wie kann man die digitalen Entwicklungsprozesse erfolgreich gestalten bei wechselnder Klientel. Das ist die große Frage.“

Auch Markus Heckmann und Tom Schnörr versprechen sich viel von fest installierten Austauschformaten, wie sie in Berlin etwa die Schulaufsicht in Form von Meetings sämtlicher Schulleiter eines Bezirks realisiert hat. „Methoden wie Design Thinking sind zwar hilfreich, greifen meiner Meinung nach aber nur richtig in bereits gut funktionierenden Teams. Wenn die Zusammenarbeit aber grundsätzlich schwierig ist, kann das sehr mühsam werden“, so Heckmann. „Man weiß ja inzwischen schon ansatzweise, wie man miteinander umzugehen hat und dass etwa die Kommunikation auf Augenhöhe entscheidend ist für den Erfolg. Darum sollte man sich kümmern, bevor man darüber nachdenkt, mithilfe von Kreativmethoden in den direkten inhaltlichen Austausch zu treten“, ergänzt Schnörr.

Ausblick 2022

All dies will das Forum Bildung Digitalisierung bei der Weiterentwicklung des Formats berücksichtigen. Denn das LabBD wird seine Vernetzungsarbeit auch im laufenden Jahr 2022 weiterführen – und das Austauschformat um mindestens einen weiteren wichtigen Akteur erweitern: die Schulaufsichten. „Die Kommunikation der Akteure und der verbindliche gemeinsame Austausch werden hierbei wieder zentrale Elemente sein“, so Projektleiterin Michaela Weiß. 2021 bereits im Austauschprozess entstandene Materialien sind unter anderem eingeflossen in die ExpeditionBD, ein interaktives Webangebot zur digitalen Schulentwicklung in Städten, Kommunen oder Regionen. 

„Inspiration von und Austausch mit anderen Akteuren ist unwahrscheinlich wichtig“, sagt Michaela Weiß. „Deswegen werden wir versuchen, auch Hospitanzen – digital oder vor Ort – zu ermöglichen. „Das kann uns dann durchaus auch ins Ausland führen.“ 2021 war das Forum Bildung Digitalisierung zusammen mit Mitgliedern der KMK zu Besuch in der dänischen Kommune Esbjerg auf einer Bildungsreise. „Das war für alle Teilnehmenden der Delegation ungemein bereichernd. Mit allen am Prozess beteiligten Akteuren ins Gespräch kommen, ist die Essenz des LabBD und wir sind gespannt auf den erweiterten Austausch zwischen Schulleitung, Schulträger und Schulaufsicht in 2022.“

LabBD 2022: Austausch zwischen Schulen, Schulträgern und Schulaufsichten

Ein ganzheitlich wirksamer Digitalisierungsprozess in der Schul- und Unterrichtsentwicklung erfordert eine intensive Koordination und transparente Kommunikation zwischen Schulen, Schulträgern und Schulaufsichten. Im LabBD schaffen wir auch 2022 wieder einen Dialog- und Experimentierraum, um den Austausch und die Zusammenarbeit zu optimieren und auf ein tragfähiges Fundament zu stellen. Im kollegialen Austausch diskutieren wir, verschiedene Wege der Prozessgestaltung.

Leitend sollen hierbei die folgenden Fragen sein: 
Wie gestaltet sich bei Ihnen vor Ort der Austausch zwischen Schule, Schulträger und Schulaufsicht? Sind die Abstimmungen gut, vertrauensvoll und regelmäßig? Oder würden Sie gerne den Austausch zwischen Schulen, Schulträger und Schulaufsicht intensivieren oder gar anders gestalten, damit Sie Ihre Maßnahmen besser umsetzen können?
Für 2022 sind zwei Präsenzveranstaltungen Ende März und im September im Rahmen des LabBD geplant. Abseits der Präsenzveranstaltungen finden verschiedene Online-Formate statt. Weitere Informationen dazu veröffentlichen wir in Kürze. Wenn Sie Interesse haben, sich am LabBD 2022 zu beteiligen, schreiben Sie uns gern eine kurze E-Mail an: lab@forumbd.de.