Veranstaltungsbericht | veröffentlicht am 26.04.2022

Auftakt LabBD 2022: Schulen, Schulträger und Schulaufsichten im Dialog

von Klaus Lüber

Das Format LabBD geht in die dritte Runde. Aus einer 2020 gestarteten Vernetzungsplattform für Schulträger, das im letzten Jahr zum Dialograum für Schulen und ihre Träger erweitert wurde, sind 2022 erstmals auch die Schulaufsichten als Akteursgruppe eingebunden. Ende März trafen sich rund 30 Teilnehmende aus elf Kommunen zum Präsenz-Auftakt in Berlin.

Foto: Laurin Schmidt / CC BY 4.0

Das Format LabBD geht in die dritte Runde. Aus einer 2020 gestarteten Vernetzungsplattform für Schulträger, das im letzten Jahr zum Dialograum für Schulen und ihre Träger erweitert wurde, sind 2022 erstmals auch die Schulaufsichten als Akteursgruppe eingebunden. Ende März trafen sich rund 30 Teilnehmende aus elf Kommunen zum Präsenz-Auftakt in Berlin.

Ein wütender Lehrer stürmt in das Büro der Schulleitung. Er wäre eben dabei gewesen, Materialien für seinen Unterricht in das Lernmanagementsystem hochzuladen, da sei die Verbindung abgebrochen. „Schon zum fünften Mal in dieser Woche. Ich muss das bis morgen fertig haben. So geht das nicht weiter! Kümmern Sie sich bitte darum, möglichst sofort!“ Der Schulleiter, sichtlich gestresst, greift zum Hörer. Anruf beim Schulträger. Man würde ja gerne helfen, heißt es von dort. Nur bräuchte man bitte erst einmal eine „qualifizierte Problembeschreibung“. Dazu, auf Rückfrage, die immer noch völlig frustrierte Lehrkraft: „Was heißt hier Problembeschreibung? Es geht halt nicht!“ In einem nachfolgenden Telefonat mit der Schulaufsicht verspricht auch diese, sich zu kümmern. Aber so ad hoc sei das schwierig. „Ich nehme ihr Problem aber auf jeden Fall mal mit!“

Die Szene ist nicht echt, sondern das Ergebnis einer Übung. Rund zehn Minuten hatten die Teilnehmenden der diesjährigen LabBD-Auftaktveranstaltung Zeit, sich ein Problem aus ihrem Alltag auszudenken und in verteilten Rollen nachzuspielen. Statt der üblichen Kennenlernrunde zu Beginn, stand diesmal Theatersport als Warm-up auf dem Programm. „Es geht uns darum, Ihr Körperwissen zu aktivieren“, so Workshopleiterin Veronika Schönstein zum Start der Session. Gemeinsam mit Christina Beilharz, die den Prozess im LabBD mit Veronika Schönstein und Martin Fugmann moderiert und begleitet, und unter Anleitung von Theaterschauspieler und Coach Jan Peters positionierte sich die Gruppe unter anderem auf einer gedachten Deutschlandkarte im Raum, erinnerte sich an ihren ersten Schultag, schritt auf einer imaginären Zeitleiste ihre Schullaufbahn ab und rief sich typische Gesten aus ihrem Alltag ins Bewusstsein. Höhepunkt bildeten insgesamt fünf nachgespielte Szenen, darunter etwa der erboste Lehrer, aber auch ein Meeting von Schulträger, Schulleitung und Schulaufsicht, in dem man sich zunächst sehr einig war zur Einführung des neuen Lernmanagementsystem, sich am Ende aber festbiss an der Frage, in welchem Bundesland denn nun der Dienstleister zu beauftragen wäre. „Also ich bin unbedingt dafür, dass der Server in Bayern steht!“

Dialogräume schaffen

Das funktionierte erstaunlich gut. Es wurde gelacht, applaudiert, die Rollen fast virtuos und mit einem feinen Gefühl für Timing und Wortwahl ausgefüllt. Natürlich lag das unter anderem auch daran, dass die sogenannten „Fake Problems“ in Wirklichkeit sehr reale Settings nachbildeten, in denen sich alle Teilnehmenden, diesmal angereist als Teams aus Schulträgern, Schulleitungen und Schulaufsicht, mühelos wiederfinden konnten. Situationen, die geprägt sind von einem zunehmend absurden Wirrwarr verteilter Zuständigkeiten ausgerechnet bei einer Aufgabe, die von allen Akteuren in enger Abstimmung angegangen werden müsste: die digitale Schulentwicklung. Denn die klassische Rollenaufteilung zwischen Fragen der technischen Ausstattung (Schulträger) und der pädagogischen Umsetzung (Schulleitung und Schulaufsicht) funktioniert eben nicht mehr in einem Umfeld, in dem die Wahl der Technik von der pädagogischen Zielsetzung abhängt, die man mit ihr verfolgen will. „Gibt es hier keinen Dialog, passiert genau das, was wir leider immer noch viel zu oft erleben: Eine Schule wird mit irgendwelchen Digitaltools vollgestopft, von denen am Ende vielleicht nur die Hälfte wirklich gebraucht werden. Weil sich niemand vorher überlegt hat, was man damit eigentlich machen will“, so ein Teilnehmer in einer Plenumsrunde.

Im Grunde sollte es also darum gehen, einen Dialograum zu schaffen für Parteien, die immer noch viel zu oft aneinander vorbei arbeiten, statt sich gegenseitig zu unterstützen. Und dies manchmal nur deswegen, weil dem einen gar nicht klar ist, was der andere tut. „Eigentlich sind wir in der Kommune schon ganz fortschrittlich“, berichtet Tanja Jeschke, die als IT-Koordinatorin der Stadt Norderstedt in der Rolle des Schulträgers nun schon am dritten LabBD teilnimmt. „Ich habe meinen Job von Anfang an als Schnittstelle zwischen technischen und pädagogischen Fragen begriffen. Ich mache alle drei Monate Meetings mit meinen Schulleitungen und den digitalverantwortlichen Lehrkräften. Aber als es für das diesjährige Lab darum ging, eine Schulaufsicht mit ins Team zu holen, dachte ich: Ich weiß weder, wer das bei uns überhaupt ist, noch was die genau macht.“ Ihr LabBD Tandem-Partner Carsten Aspel, Schulleiter am Lessing-Gymnasium Norderstedt, holte schließlich Meike Harder, Schulrätin in Bad Segeberg ins Boot. Als Schulaufsicht ist sie für die von Jeschke betreuten Schulen zuständig. „Auf dem Weg nach Berlin erzählte ich dann von dieser oder jener Schule, an der es nicht voran ging und plötzlich frage Meike: Welche Schulen sind das denn? Soll ich da mal vorbeigehen? Und plötzlich wurde mir klar, wie sinnvoll das sein kann, an dieser Stelle zusammenzuarbeiten.“

Mit Worten das Denken öffnen

Genau in diese konstruktive Zusammenarbeit zu kommen, war dann auch das Ziel, das sich die Auftaktveranstaltung für den zweiten Teil des Workshops vorgenommen hatte. Im Rahmen einer Design Thinking Challenge sollten die einzelnen Teams zunächst definieren, welche Herausforderung sie im Bereich der digitalen Schulentwicklung in ihrer Kommune gemeinsam angehen wollen. Die Teilnehmenden lernten an dieser Stelle, wie entscheidend es ist, so präzise wie möglich zu formulieren und dabei darauf zu achten, keine versteckten Bewertungen in die Fragestellung einfließen zu lassen. „Wir wollen mit Worten das Denken öffnen“, so Workshopleiter Martin Fugmann. Schulleiter:innen etwa könnten sich fragen, wie im Kollegium möglichst gute Teamarbeit zu ermöglichen wäre – konkret genug, um daraus Lösungsstrategien zu erarbeiten, allgemein genug, um sich nicht schon von vornherein auf bestimmte Denkrichtungen festzulegen. Eine Gruppe setzte die Vorgabe in folgende Fragestellung um: „Wie kann digitales und analoges Lernen selbstverständlich und sinnvoll funktionieren?“ Andere Teams fragten sich, wie nach umfangreichen Aushandlungsprozessen bestmöglich mit verbliebenen Widerständen umzugehen sei oder mit welchen Kommunikationsstrukturen man möglichst alle Akteure vor Ort „in Bewegung bringen“ und halten könnte.

Der Schlüssel, so betonten die beiden Workshopleitenden Martin Fugmann und Veronika Schönstein immer wieder, sei die Offenheit im Dialogprozess. Und die Fähigkeit, sich in die Bedürfnisse des Anderen hineinzuversetzen. „Wir können uns immer wieder darüber wundern, warum bestimmte Entscheidungsprozesse so lange dauern. Oder sich einfach einmal vergegenwärtigen, dass Entscheidungsprozesse in der Kommunalverwaltung unter vollkommen anderen Voraussetzungen ablaufen als in den Schulen“, so Schönstein. Nur: Wie transportiert man diese Erkenntnis in den Arbeitsalltag? So gut das kreative Arbeiten im geschützten Raum eines Workshops funktioniere, so schwierig sei es aber doch, diese im Arbeitsalltag herzustellen, kam dann auch als Einwand eines teilnehmenden Schulleiters. „Der ganze Prozess, den wir hier besprechen, wird keinen Erfolg haben, wenn wir an der Struktur der Lehre ganz grundlegend nichts ändern. Und das ist komplex.“ Martin Fugmanns Antwort dazu: „Richtig. Aber um die Struktur aufzubrechen, braucht man nicht zu warten, bis ein neues Schulgesetz kommt. Man ist nicht so hilflos, wie es scheint. Sondern man kann sich Verbündete suchen, mit denen es möglich ist, schon jetzt echte Veränderungen anzustoßen.“

Gespräche statt Daten

Man hat nun also Mitstreiter:innen gefunden, kann sich konstruktiv austauschen, hat ein Problem identifiziert – wie genau kommt man dann ins „eigentliche Arbeiten“? Wie gelingt der Schritt von der Problemstellung hinein in eine Lösungsstrategie? Auch damit beschäftigten sich die Teams in der Auftaktveranstaltung ausgiebig. Weiter der Design-Thinking-Methode folgend, hatten die Gruppen im Workshop primär die Aufgabe, Kontext und Zielgruppe des anzustoßenden Veränderungsprozesses in den Blick zu nehmen. Wem will man in welcher Situation helfen? Und wie kann man überhaupt unterstützen, basierend auf den jeweiligen Bedürfnissen der Zielgruppe? Und wie ermittelt man diese Bedürfnisse überhaupt?

„Empirie alleine bringt uns hier nicht wirklich weiter“, so Martin Fugmann, „auch wenn uns inzwischen zig Studien und Barometer zur Verfügung stehen.“ Wer wirklich wissen wolle, wie die eigene Zielgruppe tickt, müsse mit ihr sprechen. Und zwar richtig. Und wirklich gut zuhören! Fugmann, selbst Schulleiter eines Gymnasiums in Gütersloh, kann da auch aus eigener Erfahrung berichten. „Wir arbeiten schon seit Jahren daran, den Einstieg von Haupt- und Realschüler:innen in unsere Oberstufe zu verbessern. Und jahrelang hat das nicht funktioniert. Bis wir merkten: Statt über standardisierte Fragebögen einfach nur Daten einzuholen, müssen wir mit den Schüler:innen wirklich reden. Genau das machen wir jetzt und endlich geht es voran.“

Digitalformate im Mai

Wie solche Tiefeninterviews idealerweise geführt werden und welcher Rahmen dafür angemessen ist, das waren die letzten Tipps, die die Teilnehmenden der Auftaktveranstaltung mit nach Hause nahmen. „Versuchen Sie Fragen zu stellen, die Ihr gegenüber herausfordern, eine Resonanz in ihm auslöst“, so Fugmann. Zum Beispiel, indem man in Unterrichtsnachbesprechungen den Kollegen oder die Kollegin nicht fragt, was gelungen ist und was nicht. Sondern, wann er oder sie sich wohlgefühlt hat, wann sich das Gefühl einstellte, wirklich etwas bewegt zu haben. Im Workshop gab es die Gelegenheit, solche Interviewsituationen zu erproben – immer mit dem Ziel, dabei auf neue Ideen zu kommen, das eigene Kommunikationsverhalten im Alltag anzupassen. 

Der gemeinsame Arbeitsprozess im LabBD wird bis September fortgesetzt. Im Mai wird die Gruppe im Rahmen von digitalen Angeboten zu den Themen Ausstattung und Technik, Lernkultur in der digitalen Welt sowie Vernetzen, Austauschen, Kommunizieren weiterarbeiten. Die nächste Präsenzveranstaltung ist für Anfang September geplant.