Veranstaltungsbericht | veröffentlicht am 30.04.2021
Digitales CampBD: Auf der Suche nach Visionen für das Bildungssystem nach Corona
von Anja Reiter
Am 20. April 2021 kamen zivilgesellschaftliche Akteure aus den Bereichen Bildung, Schulentwicklung und Digitalisierung beim digitalen CampBD zusammen. Auf Einladung des Forum Bildung Digitalisierung diskutierten sie im Rahmen des offenen Barcamps, welche Visionen und Konzepte das Bildungssystem nach Corona voranbringen können – und welche Themen in Zukunft immer relevanter werden.
Wie können Schulen und Start-ups gewinnbringend miteinander kooperieren? Welche Rolle wird kulturelle Bildung nach der Pandemie spielen? Und wie kann man schon in der Schule den Umgang mit Unsicherheit trainieren, um Schüler:innen für zukünftige Herausforderungen in einer sich immer schneller wandelnden Welt zu wappnen? Das ist eine Auswahl der Fragen und Themenstellungen, die die Teilnehmenden des dritten CampBD am 20. April 2021 beschäftigten. Das Interesse an dem interaktiven Barcamp-Format, das aufgrund der Corona-Pandemie wieder digital stattfand, war auch in diesem Jahr sehr groß. Knapp 60 Teilnehmende, darunter Akteure aus der Bildungsforschung, aus Stiftungen, Start-ups und Schulen, trafen sich am frühen Nachmittag im virtuellen Konferenzraum.
Bildung ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Gemeinsam wollen wir heute eine neue Vision für die Bildung nach Corona entwickeln“, betonte Jacob Chammon, Vorstand des Forum Bildung Digitalisierung, in seinen Begrüßungsworten. Ziel der Veranstaltung war es, Lehren aus den Erfahrungen der Corona-Krise und des damit verbundenen digitalen Unterrichtens zu ziehen, um ein „Weiter so“ nach der Pandemie zu vermeiden. Um für möglichst viel Austausch und unterschiedliche Perspektiven zu sorgen, setzte das Forum Bildung Digitalisierung auf das bewährte Format des Barcamps, bei dem alle Teilnehmenden zugleich auch Teilgebende sind. Das bedeutet, dass jede:r eingeladen ist, eine Session zu gestalten und sich in die Diskussionen einzubringen. Beim CampBD liefen in zwei Blöcken parallel sechs Sessions ab. Dabei galt das Prinzip der Füße bzw. Finger: Das Wechseln von Sessions war jederzeit erlaubt.
Große Bandbreite: Von New Work bis zur Kooperation mit Start-ups
Bereits in der ersten Session-Runde war die thematische Streuung breit: Bettina Sarnes, Initiatorin der Bildungswirkstatt, stellte das Projekt „NewSchoolWorks“ vor: Das praktische Lernkonzept zur Berufsorientierung brachte Elftklässler:innen der Kätze-Kollwitz-Schule in Bruchsal mit Unternehmen aus der Region zusammen und bereitete sie auf ein gemeinsames digitales Projekt vor. Wie kann man New Work an einer Schule implementieren? Darüber diskutierten im Anschluss alle Teilnehmenden und brachten ihre Erfahrungen aus der Berufsorientierung ein.
Anknüpfend an die Rahmenbedingungen und Voraussetzung des Lernens und Arbeitens in der Digitalität nimmt das Projektvorhaben „Learning New Learning“ die Qualifizierung schulischer Fach- und Führungskräfte in den Blick. Mit Hilfe dieses Projekts, einer Art länderübergreifenden „Befähigungsplattform“ für Lehrkräfte und Schulleitungen, wollen die Organisatoren rund um Dr. Tobias Ernst, CEO der Kiron Open Higher Education gGmbH, bereits bestehende Qualifizierungsmaßnahmen vernetzen, bündeln und ergänzen. Auch das Forum Bildung Digitalisierung ist an der Projektentwicklung beteiligt. Von den Diskutierenden kam viel Lob, aber auch neue Anregungen für die Projektidee, die noch im Entstehen ist: So wurde angemerkt, dass auch dafür gesorgt sein müsse, dass Lehrkräfte überhaupt zeitliche Ressourcen zur Weiterbildung hätten. Außerdem wurde angestoßen, auch auf Lern-Ressourcen aus Museen zurückzugreifen.
In der Session „Gelingende Kooperation zwischen Start-ups und Schulen“ entstand eine lebhafte Diskussion darüber, wie Bildungsverwaltung, Stiftungen und Start-ups an Schulen gewinnbringend zusammenarbeiten können. Am Beispiel von ULearn, einer (virtuellen) Community zur Vernetzung von Lehrer:innen, regten die Session-Geberinnen Miriam Beier und Bettina Werner einen fruchtbaren Austausch an. „Gute Kooperation ist für mich, wenn beide Seiten davon profitieren“, so eine der Teilnehmerinnen. Ein anderer hielt fest: „Es muss übereinstimmende Aussagen und klare Abstimmungen zu den gemeinsamen Zielen geben.“
Unsicherheitstoleranz trainieren: „Schule muss Resilienz und Entdecker:innenfreude fördern“
Nach der Kaffeepause, in der die Teilnehmenden zur digitalen Meditation oder einem gemeinsamen Spiel eingeladen wurden, gingen die Sessions in die zweite Runde. Der österreichische Theaterpädagogie Gregor Rüttner stellte in seiner virtuellen Einheit die Rolle von kultureller Bildung nach der Pandemie zur Debatte. Wie kann kulturelle Bildung dazu beitragen, reale Begegnungen für Kinder und Jugendliche in der Zukunft wieder zu „normalisieren“? Auf einem Conceptboard sammelten die Teilnehmenden Ideen für Kulturkonzepte nach Corona – von der Anerkennung digitaler Medienformen als Kunst bis zur Eroberung von Museen und Theatern als außerschulische Lernorte.
Ein paar Klicks weiter lud die Künstlerin und Gestalterin Katalin Pöge dazu ein, die eigene Unsicherheitstoleranz und Experimentierfreude zu trainieren – etwa mit einem Wikipedia-Klick-Spiel, bei dem die Intuition der Teilnehmenden gefragt war. Schule müsse so gestaltet werden, dass sie Resilienz und Entdeckerfreude fördere und den Umgang mit Neuem trainiere, so der Tenor der Session. In einer ähnlichen Session am Vormittag hatte die Unsicherheitstoleranz-Trainerin die Teilnehmenden bereits dazu eingeladen, positive Synonyme für „Unsicherheit“ zu sammeln – von Freiheit über Offenheit bis zu Spannung.
Design-Thinking für die die weitere Zusammenarbeit: Innovative Formatideen entstehen durch Erfahrungsaustausch
Nach den beiden Session-Runden wagte das Forum Bildung Digitalisierung ein kleines Experiment: Die verbliebenen 18 Teilnehmenden entwickelten in drei Arbeitsgruppen gemeinsam Fragestellungen und mögliche Formate für das nächste CampBD im September 2021 und das Programm der sechsten Konferenz Bildung Digitalisierung im November 2021. Die Idee: Die zufällig zusammengewürfelten Gruppen bündeln ihr Erfahrungswissen und ihre Interessen, um innovative Formate und Themenideen zur Transformation des Bildungssystems zu generieren. Der Design-Thinking-Prozess wurde von Mitarbeitenden des Forum Bildung Digitalisierung und von der Bildungsexpertin und Prozessbegleiterin Franziska Ziep vom Forum Kulturwandel Bildung begleitet, die in guter Tradition durch die gesamte Veranstaltung führte. In sechs iterativen Phasen, die durch methodische Tipps und konkrete Fragestellungen angereichert wurden, näherten sich die Teams in kleinen Schritten je einer gemeinsamen Fragestellung. Der Prozess wurde auf einem Conceptboard vorangetrieben und dokumentiert.
In der abschließenden Wrap-up-Runde stellten die zwei Gruppen ihre Themen- und Formatideen für die KonfBD im Rahmen eines kurzen Pitches vor. Eine Arbeitsgruppe schlug eine Art „Runden Tisch“ vor: Akteure aus der Zivilgesellschaft, der Politik und der Verwaltung könnten dabei gemeinsam zeitgemäße Fortbildungsformate entwickeln. So könne bei der nächsten KonfBD auch fernab von Grußworten von Politiker:innen ein Austausch auf Augenhöhe zwischen Politik und zivilgesellschaftlichen Akteuren stattfinden. Eine andere Gruppe widmete sich der Frage, wie man zeitliche Ressourcen von Lehrkräften anders denken könne. Mit Akteuren aus der Politik, den Gewerkschaften und den Schulen plante die Gruppe ein Format zum Thema Arbeitszeit. Das Forum Bildung Digitalisierung bot an, die Gruppen beim Prozess der Formatentwicklung weiter zu unterstützen, sodass die Ideen bis November auch weitergedacht werden können.
Fazit: Fruchtbarer Austausch, agile Kollaboration und interaktive Reflexion
Nach Ablauf des gemeinsamen Nachmittags blieb noch Zeit für eine Reflexions- und Feedbackrunde. Intensiv und manchmal auch anstrengend sei das digitale CampBD gewesen, so der Tenor, aber dank des fruchtbaren Austausches auch absolut bereichernd und gewinnbringend. „Danke für die tolle Organisation und Leidenschaft“, lobte David Studniberg vom Jüdischen Museum Berlin das Team des Forum Bildung Digitalisierung. „Man merkt, wie gerne ihr das macht!“ Eine andere Teilnehmende resümierte: „Organisation und Board haben mir Sternchen in die Augen gezeichnet.“ Und Annemieke Akkermans, Lehrerin an der Nelson-Mandela-Schule in Berlin, teilte auf Twitter ihr persönliches Resümee: „Reger Austausch, (meistens ☺) agile Kollaboration und interaktive Reflexion. Wie gute Schule war es heute beim CampBD!“