Gesellschaftliche Aushandlungsprozesse
Bei den Anwesenden kamen die Impulse des Schweizers sehr gut an. Schließlich hatte man sich genau dazu getroffen: Zum einen den Austausch dazu zu suchen, was bereits erreicht wurde, zum anderen aber auch gemeinsam zu überlegen, wohin die Reise gehen könnte. Die Kultur der Digitalität, so die Stimmung unter den Teilnehmenden, sei im Kern ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess, der Ausdruck eines tiefgehenden gesellschaftlichen Wandels, der sich bei weitem nicht in Fragen der technischen Infrastruktur erschöpft, die lange Diskussionen dominierte. Auch dazu hatte Spindler ein schönes Bild, entlehnt dem OECD-Lernkompass 2030: Zwei Kurven, die eine die Technik, die andere die Bildung, sie sich umeinander winden wie zwei Schlangen. Einmal ist die eine dominant, dann die andere. Bildung und technologische Entwicklung, so Spindlers Punkt hier, stehen in ständiger Interaktion und müssen immer wieder neu justiert werden. Es braucht einfach seine Zeit, sich in der zunehmenden Multiperspektivität unserer Gegenwart neu auszurichten.
Ein gutes Beispiel für solche Aushandlungsprozesse war dann auch der Workshop, den Spindler zusammen mit Katharina Swinka, Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz, anbot. Es ging, ganz in Anlehnung an seine Keynote, um „Visionsentwicklung von Schule in der Kultur der Digitalität“. Das Setting im großen Tagungsraum der Landesvertretung SchleswigHolstein in Berlin war ganz angelegt auf maximale Kreativität, im Raum verteilt vier Tafeln, an denen einzelne Gruppen Ideen für besonders innovative Bildungskonzepte sammelten. Der Arbeitsauftrag: Cross-Innovation. Man nehme auf den ersten Blick bildungsferne Branchen wie Wohnungsbau, Mobilität, Energie, Tourismus und verknüpfe sie mit dem System Bildung zu etwas Neuem. Am Ende entstanden daraus Ideen wie ein Lehrkräftecasting auf den Seychellen oder „Up-Schooling“, ein Konzept, das Schulbau mit recycelten Materialien vorzieht.
So weit, so innovativ. Nur einmal, als Swinka die Teilnehmenden um einen Impuls zur Frage einholte, woran man den spontan denke, wenn man das Stichwort „digitales Klassenzimmer“ höre, brach wieder etwas durch von der Realität, die offenbar auch im Jahre 2022 noch in vielen Schulen und Klassenzimmern anzutreffen ist. „Nicht funktionierendes WLAN, Whiteboards, Tablets“ war das, was den Anwesenden sofort in den Sinn kam. Eine Schülerin – Schüler:innen nahmen ebenfalls am Workshop teil – nannte die berühmt-berüchtigten, eingescannten, per E-Mail verschickten Arbeitsblätter.