Wie gelingt es uns, die momentan noch spürbare Veränderungsdynamik auch in der Zeit nach der Pandemie beizubehalten?
Ich denke, dass Schulleitungen hier eine ganz wichtige Rolle spielen. Sie sind es, die Freiräume schaffen, um Innovationen voranzutreiben. Denn darum wird es in nächster Zeit vor allem gehen: den Lehrer:innen wieder ein bisschen Luft zum Atmen zu geben, zu entschleunigen. Und dies ganz bewusst in einer Situation, in der viele sagen: „Jetzt müssen wir aber Gas geben!“ Aus einer gefühlten Überforderung entsteht aber keine echte Veränderung. Echte Veränderung braucht Überzeugung, Motivation – und damit Zeit und Raum zur Entfaltung. So etwas kann aus den Schulen, den Leitungen und Kollegien selbst entstehen, aber es braucht auch Impulse von oben, vonseiten der Politik. Genau deshalb versuchen wir in unseren Veranstaltungen und Konferenzen ja immer, möglichst alle Akteur:innen des Bildungssystems an einen Tisch zu bringen.
Als gebürtiger Däne bist du in einem Schulsystem sozialisiert, das als Vorbild im Einsatz digitaler Medien im Unterricht gilt. Was kann Deutschland von Ländern wie Dänemark lernen?
Zum Beispiel die Bereitschaft zu experimentieren. In Dänemark hat man schon sehr früh vor 20 Jahren begonnen, digitale Elemente in das Bildungssystem zu integrieren. Da wurde viel ausprobiert, viel wieder verworfen – und damit auch sehr viel Geld verbrannt. Trotzdem war die Haltung: Das gehört eben dazu, wenn man wirklich innovativ sein will. Ein anderer Punkt ist die Verankerung der Digitalisierung in der Ausbildung der Lehrkräfte. In Didaktik-Seminaren wird immer wieder gefragt: Wie würdest Du das digital vermitteln? Dasselbe gilt auch für die Weiterbildung. In allen dänischen Schulen gibt es qualifizierte Lehrkräfte, die den Kolleg:innen vor Ort in den Schulen als Berater:innen für digital-didaktische Fragen zur Seite stehen. Statt Weiterbildung an externe Dienstleister:innen auszulagern, hat man sie in die Schulen integriert. Und das mit Erfolg.
Hat die Politik die Zeichen der Zeit erkannt?
Ich habe das Gefühl, dass das Thema Veränderung im Schulsystem auch im Bereich der Digitalisierung sehr wohl in den Köpfen der Politiker:innen angekommen ist. Auch deshalb, weil durch die Pandemie ja massiv und eine Zeit lang fast täglich darüber berichtet wurde. Auf der anderen Seite wissen wir auch, wo der Schuh drückt: Die so wichtige Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteur:innen läuft nicht immer reibungslos. Ich sehe die Politik generell in der Verantwortung, in einem föderalen Bildungssystem länderübergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Außerdem sollte sie dafür sorgen, dass klar gesteckte Handlungsrahmen vorhanden sind. Denn nur dann haben die Praktiker:innen vor Ort die Sicherheit und Freiheit, die besten Lösungen auszuarbeiten.