Drei Fragen an Prof. Dr. Birgit Eickelmann
Was waren Ihre persönlichen Highlights der Konferenz Bildung Digitalisierung 2021?
Die gesamte Konferenz war mein persönliches berufliches Highlight im Jahr 2021. Es gibt drei Inputs, die mir besonders in Erinnerung bleiben werden und mit denen ich nun weiterarbeiten werde. Das war erstens der Vortrag von Otto Scharmer. Ich fand seinen Ansatz in der Theorie U schon vorher sehr überzeugend und leitend. Wenn er aber persönlich mit einem Vortrag einfach einmal erklärt, was zum Beispiel „tiefgehendes Handlungsvermögen“ ist, dann ist das etwas ganz Besonderes. Das Video zum Vortrag ist ja online und ich werde es mir nochmal ansehen. Dann war da zweitens der Vortrag von Myrle Dziak-Mahler. Ich hatte erst Sorge, dass dieser Input möglicherweise thematisch gar nicht so sehr zum Schulbereich passen könnte. Aber dann waren da so viele Bilder, Erklärungen und auch neue Aspekte. Die Überlegungen zur Futures Literacy der UNESCO kannte ich noch nicht und habe diese noch am selben Tag für mich nachgearbeitet. Dass beide natürlich auch zwei ganz besonderen Menschen sind, die mitreißend und motivierend vortragen, muss ich ja hier nicht extra erwähnen. Und dann drittens das Papier zu den Denkanstößen des Forum Bildung Digitalisierung zur digitalen Transformation im Schulbereich, das vielleicht am nachhaltigsten sein wird. Auch wenn mir noch aufgefallen ist, dass die Perspektive der Kinder und Jugendlichen darin noch nicht so umfassend berücksichtigt ist. Und auch die Verbindung zur Forschung an den verschiedenen Stellen und damit verbunden das Vorantreiben von Forschung, forschungsbasierten Maßnahmen und Programmen in den Bereichen, in denen wir noch lernen müssen. Damit die digitale Transformation gelingt, wäre das eine mögliche Erweiterung der Perspektive der Denkanstöße, die das Forum selbst ja eigentlich schon umsetzt und auch ein Schritt, der noch mal mit mehr Überzeugungskraft in die Fläche gehen kann.
Welche Schritte können jetzt an die Konferenz sinnvoll anknüpfen?
Ich habe ja im Vorfeld der Konferenz gesagt, dass man nun in Deutschland endlich aufhören muss, nur an einzelnen Stellschrauben zu drehen, sondern nun den großen Wurf im Schulbereich hinbekommen muss. Wir haben bei der Konferenz gesehen, dass es noch viel zu tun gibt und dass gleichsam auch auf allen Ebenen in Deutschland sehr viel Engagement und Wissen vorhanden ist. Daran kann man unmittelbar anknüpfen. Meine Idee wäre, dass man dies anhand der Themen und Überschriften aus dem Denkanstöße-Papier des Forums gestaltet, die eine super Orientierung sind. Auch die nun gestartete ExpeditionBD, die die Bildungsregionen adressiert und ein Grundgerüst und Handwerkszeug für die Zusammenarbeit von Schulen, Schulträgern und schulischen Akteuren bereitstellt, halte ich für sehr vielversprechend. Ansatzpunkte wie „Empathie“ halte ich für zentral. Aber letztendlich geht es darum alle Akteure einzubinden. Engagement und Expertise alleine reichen nicht. Wir brauchen eine gemeinsame Vision von Schule, ein gemeinsames Verständnis über grundlegende Aspekte, zum Beispiel wie die chancengerechte Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen und die Entwicklung einer neuen Schul-, Lern- und Prüfungskultur aussehen wird. Aber auch eine Verpflichtung darauf, diese dann auch gemeinsam in die Umsetzung zu bringen und dafür die notwendigen Ressourcen bereitzustellen.
Was sollten wir bis zur nächsten Konferenz im November 2022 auf jeden Fall geschafft haben?
Jede und jeder, der an der Tagung teilgenommen hat, egal ob aktiv oder passiv, ist nun gefragt, selbst zu handeln und nicht das Handeln der anderen abzuwarten. Man könnte sich zum Beispiel jeweils einen Satz aus den Denkanstößen heraussuchen und diesen für sich und mit anderen weiterbearbeiten. Dann sind wir in zwölf Monaten sicherlich einen großen Schritt weiter. Transformationen erfordern abgestimmtes Handeln. Das ist ja, wenn man so will, eines unserer Probleme in Deutschland. Trotz guter Vorsätze hatten wir, so die ICILS-Studien, von 2013 bis 2018 keine nennenswerten Fortschritte gemacht. Daher denke ich nicht nur bis zum nächsten Jahr, sondern auch schon bis 2023, wenn wir noch mal mit ICILS in die Schulen gehen. Aber: Es muss uns auch gelingen, in kleineren Abständen sichtbare Veränderungen auf den Weg zu bringen. Die große schulische Transformation besteht aus vielen kleinen Transformationen. Im Moment sind das nach wie vor die Schulen, die Schulleitungen und die Lehrkräfte, zunehmend auch die Schulträger, die mit ihrer Beharrlichkeit, die Zukunft gestalten zu wollen, neue Dynamiken erzeugen. Übergreifend sind aber genau hierfür Ziele, die von der Zukunft aus zu denken sind, zu formulieren. Gerne mit der Zwischenzielmarke „November 2022“. Mark Twain hat sinngemäß einmal gesagt, dass es wichtig sei, zu wissen, wohin man möchte und sich ansonsten nicht wundern dürfe, am Ende woanders angekommen zu sein. Und das Erreichen dieser Visionen und die Schaffung von wirklich sichtbaren Veränderungen gelingen nur, wenn wir alle Akteure im System Schule mitnehmen und mit unserer Begeisterung anstecken. Nun – und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Pandemiesituation und ihren Implikationen für den schulischen Bildungsbereich – sind wir alle gefragt, unseren Anteil beizusteuern.