Veranstaltungsbericht | veröffentlicht am 07.10.2020
Schulträger Lab: Voneinander lernen
von Klaus Lüber
Wie können Schulträger besser dabei unterstützt werden, die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern? Das war die zentrale Frage, mit der Ende Mai 2020 das neue Format Schulträger Lab des Forum Bildung Digitalisierung startete. Am 24. September 2020 traf man sich zum Abschluss-Workshop.
Millionen von Euro für technische Geräte stehen bereit, können aber nicht abgerufen werden, weil seit der Corona-Krise gar keine mehr auf dem Markt verfügbar sind. Lehrkräfte erhalten keine Dienst-Laptops, weil das zuständige Landesamt behauptet, die Schulträger stünden in der Pflicht – und umgekehrt. Bedürftige Schüler:innen sollen mit mobilen Endgeräten für den Heimunterricht ausgestattet werden – doch sowohl die konkrete Umsetzung des Vergabeschlüssels als auch Verwendungszweck bleiben unklar.
Dies sind nur einige Beispiele für die Vielzahl an Herausforderungen, vor denen Schulträger in Deutschland gerade stehen. Zusammengetragen wurden sie im Rahmen der zweiten Veranstaltung des Schulträger Labs, eines Ende Mai 2020 neu gestarteten Unterstützungs- und Austauschformats des Forum Bildung Digitalisierung. Nach einer eingeschobenen Arbeitsphase, welche thematisch einerseits auf die Vision und Strategie und andererseits auf das Ausstattungs- und Supportmanagement ausgerichtet war, wobei in beiden Workshops das Konzept der Runden Tische aus der Bildungsregion Kreis Gütersloh zum Austausch und der Vernetzung inkludiert war, trafen sich die am Format teilnehmenden Schulträger am 24. September 2020 erneut im virtuellen Plenum, um ausgewählte Arbeitsergebnisse zu präsentieren und den gemeinsamen Austausch zu intensivieren.
Erfahrungen teilen
Zentral blieb zunächst die Frage, wie bereits gesammeltes Erfahrungswissen freier und öffentlicher Schulträger aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands gewinnbringend aufbereitet werden könnte. Das zum Kick-off der Veranstaltungsreihe präsentierte Projekt „Schule und digitale Bildung“, ein Kooperationsprojekt zur Schul- und Unterrichtsentwicklung in der Bildungsregion Kreis Gütersloh, bildete hierzu die Blaupause. Ein in diesem Rahmen entwickeltes Konzept zur Intensivierung des Dialogs zwischen Schulträgern und Schulen (Runde Tische), sowie ein Reflexions- und Planungsinstrument für Digitalisierungsprozesse (Matrix) wurden in Form kurzer Textskizzen, sogenannter Factsheets, präsentiert und diskutiert. Wobei ausdrücklich erwünscht war, weitere Beispiele aus anderen Regionen mit in den Pool möglicher Handreichungen aufzunehmen.
So berichtete die Vertreterin eines Schulträgers aus dem nordrhein-westfälischen St. Augustin von ihren eigenen Erfahrungen im Aufbau einer Arbeitsgemeinschaft zur Medienkoordination bestehend aus Medienkoordinator:innen der Schulen, Berater:innen des Medienkomptenzteams sowie der Vertretung des Schulträgers.Diese Arbeitsgruppe bildet die operative Ebene für beispielsweise die technische Ausstattung mit digitalen Unterrichtsmitteln der Schulen. In einer übergelagerten Steuerungsgruppe, welche auf der strategischen Ebene agiert, wird ein möglichst breites Spektrum unterschiedlicher Akteure abgebildet – von Politik und Schulträger bis hin zu Eltern- und Schüler:innenvertretern sowie externen Dienstleistern. Aufgabe des Schulträgers in St. Augustin ist es die stattfindenden Treffen zu koordinieren und zu leiten, mit dem Ziel, unter anderem die Erarbeitung von Standards, die Durchführung, Vor- und Nachbearbeitung der Gremien und die Koordinierung baulicher Maßnahmen (etwa zur Gebäudeverkabelung) mit allen Akteuren abzusprechen und schlussendlich die geforderten Maßnahmen zu beschließen Die Arbeits- und Steuerungsgruppe kommt, gerade coronabedingt, aktuell im vierteljährlichen Rhythmus zusammen.
Ganz anders stellt sich die Situation eines privaten Schulträgers im süddeutschen Lörrach dar. An fünf Standorten werden rund 2.200 Schüler:innen unterrichtet, die Wege sind kurz, die Strukturen weniger komplex. Die Koordination sämtlicher Belange rund um das Thema Digitalisierung übernimmt eine IT-Steuergruppe, bestehend aus Schulleitungen, Vertreter:innen der Lehrer:innenschaft und des Service-Betriebes sowie eines IT-Chefs. Diskutiert und entschieden werden hier nicht nur konkrete Fragen bezüglich technischer Infrastruktur und Ausstattung, sondern grundsätzliche Überlegungen zur langfristigen Strategie der Unterrichtsentwicklung. Ganz anders als in St. Augustin gelangen die Inputs zwar auf direktem Weg, dafür aber recht unstrukturiert, in das Entscheidungsgremium. Auch die Treffen der Steuergruppe finden wöchentlich, also in viel engerer Taktung, statt.
Sinnvolle Handreichungen
Zum Format der Factsheets gab es positives Feedback aus der Gruppe. Die Idee: Best-Practice-Beispiele, Erfahrungsberichte und Learnings aus so unterschiedlichen Kontexten wie Lörrach und St. Augustin werden in einheitlicher Form aufbereitet, um anderen Schulträgern Impulse zu liefern und sie im nächsten Schritt mit zusätzlich zur Verfügung gestelltem Material tiefer in die Materie einzuarbeiten.
So fanden am Konzept der Runden Tische viele Teilnehmer:innen zunächst die sehr intensive Zusammenarbeit zwischen Schulträger und Schulaufsicht bemerkenswert. Das sei in vielen Regionen bislang nicht geglückt, so wurde berichtet. Die Matrizen für Schulen und Schulträger stießen vor allem beim Punkt Support auf Interesse. Anders als bei Fragen der Didaktik und Geräteausstattung, zu denen es inzwischen viel Material gebe, könne man beim Thema Support noch kaum auf hilfreiche Informationen zurückgreifen. Hier könne man den Impuls aus Gütersloh aufnehmen und zum Beispiel eine grobe Richtlinie eines Personalschlüssels entwickeln, so hieß es aus der Gruppe. Als weiterer interessanter Aspekt wurde die im Gütersloher Konzept praktizierte Einbindung der Elternschaft erkannt. Hier gebe es ein großes Potenzial, das man für Fragen des Supports oder gar der Fortbildung nutzen könne, so berichtete ein kleinerer privater Schulträger aus Bayern.
Aktuelle Herausforderungen
Erwartungsgemäß dominierte in der anschließenden intensiven Austauschphase das Thema DigitalPakt Schule, kombiniert mit all den kürzlich angestoßenen Fördermaßnahmen zur Bewältigung der neuen, coronabedingten Herausforderungen. Der Druck, so hörte man von großen wie kleinen, freien wie öffentlichen Schulträgern aus allen Regionen Deutschland, sei enorm. Hauptherausforderung: Das Antragsprozedere, insbesondere zu den Soforthilfe-Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie. Hierfür können die Gelder des Bundes eigentlich nur bis Ende des Jahres abgerufen werden – eine Frist, die die meisten Schulträger nach aktuellem Stand nicht einhalten können. Größere Anschaffungen müssten zeitaufwändig europaweit ausgeschrieben werden, ganz abgesehen davon, dass selbst bei kleineren Volumina viele Hersteller nicht liefern können. Seit Beginn der Corona-Pandemie sei der Markt quasi leergefegt.
Also behelfe man sich mit Workarounds, umgehe die Pflicht zum EU-weiten Einholen von Angeboten, wende sich an regionale IT-Verbände. Oder habe, wie in Nordrhein-Westfalen, das Glück, dass das Land selbst in Vorkasse gehe – was eine Grundtendenz vor allem im politischen Umgang mit der Krise noch einmal bestätigte: Einer ähnlichen Problemlage wird regional mit recht unterschiedlichen Strategien begegnet. Manch ein Schulträger fühlt sich gut betreut vom zuständigen Ministerium, ein anderer ärgert sich über mangelndes Verständnis der Herausforderungen im Vergabeprozess der Gelder – sowohl vonseiten der Politik, als auch insbesondere der Presse.
Wunsch nach bundesweitem Netzwerk für Schulträger
Viele Schulträger, das zeigte sich in der Diskussion ganz deutlich, fühlen sich nämlich in der aktuellen Berichterstattung zu Digitalpakt und Corona-Sofortmaßnahmen eklatant missverstanden. In der Regel gewinne man den Eindruck, Bund und Länder schütteten Milliarden aus, mit denen die Kommunen und Schulträger aus Schludrigkeit und Inkompetenz nicht recht umzugehen wissen. Die Komplexität der Ausschreibungsverfahren und Förderrichtlinien finde in der öffentlichen Diskussion so gut wie gar nicht statt. Doch genau hier liege, so hörte man von vielen, die eigentliche Herausforderung. Runde Tische mit Schulträgern und Schulen alleine werden hier nicht reichen, so eine Teilnehmerin. Hier bedürfe es einer dringenden Nachjustierung vor allem vonseiten der Politik.
Dies wiederum könne nur gelingen, wenn man die vielen vereinzelten Stimmen stärker bündele und die Bedarfe der Schulträger klarer nach außen kommuniziere. Womit man zum einen den Kreis zum Format Schulträger Lab schloss, das sich genau dies mit zur Aufgabe gemacht hatte. Zum anderen wurde damit auch der Wunsch verknüpft, sich mit Unterstützung des Forum Bildung Digitalisierung bundesweit noch stärker zu vernetzen.
„Wir sitzen alle im selben Boot und können deshalb enorm voneinander lernen“ – so lautete am Ende das zentrale Fazit, das man auch in der Vorbereitung auf die Konferenz Bildung Digitalisierung 2020 am 19. und 20. November weiter berücksichtigen wollte. Im Rahmen von zwei Workshops sollen dort vor allem Best-Practice-Beispiele präsentiert und die Idee eines bundesweiten Schulträger-Netzwerks mit dem Austausch von offen lizenzierten Materialien weiter konkretisiert werden. Wir neigen noch viel zu stark dazu, uns in einer unübersichtlichen Situation von falschem Perfektionismus leiten zu lassen, so ein Teilnehmer. Man müsse den Mut haben, Dinge anzustoßen, statt auf die perfekte Lösung zu warten. Und einfach zu denken, statt sich von einer scheinbaren Komplexität lähmen zu lassen, die man in vielen Fällen vermeiden könne – auch dabei helfe der gemeinsame Austausch.