Tag 2
8 Uhr früh, die Delegation drückt die Schulbank im Montaigne Lyceum in Den Haag. Das Gebäude vereint Gesamtschule, Gymnasium, Realschule und weitere Schulformen unter einem Dach. Wie fast überall in den Niederlanden arbeitet man auch hier mit der virtuellen Lernumgebung Peppels.net, die Lernfortschritte für Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern sichtbar macht. Die unteren Jahrgänge verfügen alle über Chromebooks, die sie bei Bedarf im Unterricht einsetzen können.
Bei dem Rundgang durch die Schule erlebt die Delegation den alltäglichen Einsatz von digitalen Medien: Sie sind ein Mittel zum Zweck. Im Chemielabor blicken Schülerinnen und Schüler durch Mikroskope – und machen sich anschließend Notizen auf dem Laptop oder im Papierblock. Eine Diskussion über ein Verbot von Smartphones wie in Frankreich gebe es an der Schule keine, erzählt eine Französischlehrerin. „Die Schülerinnen und Schüler müssen lernen, damit umzugehen.“ Und die Schulleiterin ergänzt: „Wissensvermittlung ist wichtig, wir wollen unseren Schülerinnen und Schülern aber auch Skills beibringen.“
Inwiefern auch Medienkompetenz zu diesen Skills zählt, erfahren wir im Austausch mit Schülerinnen und Schülern. Zwei zwölfjährige Mädchen erzählen uns, wie gut sie es finden, dass es auf dem Schulgebäude nicht erlaubt sei, Fotos zu schießen. „Es geht dabei um den Schutz unserer Persönlichkeitsrechte und der Privatssphäre“, erklären sie.
Mark Weekenborg gibt anschließend einen Einblick in die Entwicklung des neuen Curriculums in den Niederlanden (curriculum.nu). Ein Team aus Grund- und Sekundarschullehrkräften, Eltern, Schulträgern, Schulleitungen, Schülerinnen und Schülern und Forschenden erarbeitet derzeit in regelmäßigen Entwicklungssitzungen die Learning Areas und Skills der Zukunft. Die große Frage: Was müssen Schülerinnen und Schüler lernen, um als Erwachsene bestmöglich zur Gesellschaft beitragen zu können? Neun Entwicklungsteams erarbeiten die Kompetenzen für insgesamt neun Bereiche: Digitalkompetenz, Staatsbürgerschaft, Arithmetik und Mathematik, Englisch und moderne Fremdsprachen, Kunst und Kultur, Menschen und Gesellschaft, Mensch und Natur, Niederländisch und Bewegung und Sport. Das Megaprojekt soll 2021 abgeschlossen sein – und dann von der Regierung implementiert werden.
Der Bus fährt weiter nach Zoetermeer bei Den Haag, einem Zentrum für IT und Telekommunikation. Dort besucht die Reisegruppe Kennisnet, eine öffentliche Institution, die den Schulen die IKT-Infrastruktur bereitstellt. Außerdem unterstützt Kennisnet die Vernetzung von Schulen im IT-Bereich und die Umsetzung einzelner Schulprojekte und regionaler Initiativen zu den Themen IT und Medienkompetenz. Als Beispiel kann hier die Initiative MediaMasters genannt werden, in deren Rahmen Grundschülerinnen und Grundschüler Medienkompetenz erlangen sollen – mithilfe von Quizzen und kleinen Online-Spielen. „Der digitale Graben wächst“, sagt Philipp Polst (Senior Policy Advisor), deshalb sei es wichtig, an alle Schülerinnen und Schüler IT-Skills zu vermitteln. „Ohne digitale Kompetenzen kann man nicht an der Gesellschaft teilnehmen“, erinnert Frans Schouwenburg (Advisor educational innovation with ICT) an ein Statement der OECD aus dem Jahr 2016.